Egmont Mika

Respekt, Freiheit und Vertrauen

Definition „Mentor“

Als Jesus seinen Jüngern den Befehl gab Jünger zu machen, hatten sie wahrscheinlich eine Meister-Jünger Beziehung vor Augen, so wie sie das bei Jesus kennengelernt hatten. Paulus dahingegen spricht häufig von einer Vater-Sohn Beziehung, möglicherweise als einer Anpassung an die griechisch-römische Kultur und Sprache seines Wirkungsbereichs.

Heute verwenden wir oft den aus dem Griechischen stammenden Begriff Mentor. Damit meinen wir eine Art persönlichen Lehrmeister, Erzieher oder Berater. Ich verwende gelegentlich auch den Begriff Mentorenschaft, der allerdings (noch) nicht im Duden steht.

In meinen Artikeln schwingen bei diesem Begriff die neutestamentliche Meister-Jünger und Vater-Sohn Beziehung mit. Es geht mir um eine persönliche Lehrer/Leiter-Schüler Beziehung, die umfassender ist und tiefer geht, als das in den heute vorherrschenden Formen institutionalisierten Schulbetriebs oder durch nur oberflächliche Bekanntschaft möglich ist.

Respekt und Freiheit

Mentor sein erfordert eine Vertrauensbasis. Und Vertrauen ist bedingt durch Respekt und Freiheit.

Für den Mentor bedeutet dies, den anderen zunächst so anzunehmen wie er ist, mit allem was er mit sich bringt an persönlichen Eigenarten, Schwächen und Stärken, seinen Ansichten, seinem Geschmack, seiner Religion oder was auch immer. Auch mit seinen negativen Seiten. Man kann respektieren ohne zuzustimmen.

Zum Respektieren gehört auch, Freiheit zu geben. Die Freiheit eines Menschen zur eigenen Entscheidung über sein Leben und damit zur eigenen Verantwortung. Auch wenn es darum geht, dem Mentors zuzustimmen, oder zu Jesus ja oder nein zu sagen.

Vertrauen

Respekt und Freiheit, das sind die Voraussetzungen. Aber letztlich geht es um Vertrauen.

Vertrauen muss aufgebaut werden.

Das kann man sich weder kaufen noch erbetteln, auch nicht geschickt „er-manipulieren“. Oder indem man den anderen für seine Projekte einspannt und ihm Position und Privilegien verschafft.

Vertrauen braucht Zeit.

Man kann etwas Vertrauen im Vorschuss geben, aber auf die Dauer muss es verdient werden, von beiden Seiten. Das geschieht stückweise, nach und nach, durch geduldiges und beständiges Handeln, durch Transparenz in den Motiven, durch Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. In Wort und Tat.

Vertrauen aufbauen heisst kultivieren.

Säen, pflanzen und dann in Ruhe wachsen lassen. Nicht kontrollieren oder manipulieren, nicht vorantreiben. Die Ernte kommt viel später. Der Mentor ist Gärtner, nicht Manager. Gärtner und Manager - das sind zwei ganz verschiedene Welten.

Bei Jesus

Respekt, Freiheit und Vertrauen. Das sind drei Qualitäten menschlicher Beziehung, die auch bei Jesus sichtbar wurden, als Ausdruck seiner Liebe.

Das bedeutete bei ihm im radikalsten Sinn:

  • Respekt zu zeigen, auch wenn selbst verachtet
  • Freiheit zu gewähren, auch wenn selbst kontrolliert oder bedroht
  • Immer wieder Vertrauen zu investieren, auch wenn unverdient

Bei Jesu Jüngern

Jesu Jünger sind Vermittler seiner Liebe und können ohne diese drei Qualitäten - Respekt, Freiheit und Vertrauen - nicht auskommen. Wenn auch nur eine fehlt, geht die Möglichkeit einer echten Mentor-Beziehung verloren.

Die Begegnung mit einem Menschen muss immer als Geschenk gesehen werden, nicht als Produkt unserer Ambitionen. Jedoch können wir eine Beziehung bewusst aufbauen, und zwar von jeder Ausgangslage aus. Manchmal muss man ganz unten anfangen, da wo es noch gar nichts gibt. Es ist nicht immer einfach; Menschen sind nun mal nicht einfach.

Als Mentor investierst du Liebe, Zeit und Energie in das Leben eines anderen, aber ohne ihn zu binden und ohne Erfolgsgarantie.

Doch Erfolg ist möglich, denn der Herr ist mit dir.

Und das wird dann auch erkennbar an der guten Frucht, die nach und nach sichtbar wird und schließlich bis ins ewige Leben trägt.