Egmont Mika

Die Maske abnehmen

Er war Pastor. Ein begabter Prediger und hervorragender Bibelschullehrer, geachtet und geliebt von Gemeinde und Familie, weithin bekannt durh seine Bücher und Seminare über Ehe und Familie.

Da geschah das völlig Unerwartete.

Eines Tages erreichte uns die Nachricht, er hätte Frau und Kinder verlassen und seinen Dienst aufgegeben. Er sei in ein fernes Land gezogen, um dort wieder ganz von vorne anzufangen. Ein Schock für uns alle, für seine Gemeinde und Mitarbeiter, völlig unerwartet selbst für seine Familie und engsten Freunde.

In einem Brief beschreibt er seine Desperation. Er sei längere Zeit deprimiert gewesen, habe sich als Versager gefühlt und ernsthaft vorgehabt, sich das Leben zu nehmen.

Die letzten drei Jahre habe er eine Maske getragen, um seinen wirklichen Zustand zu verbergen, habe jedoch versucht seinen Pflichten nachzugehen, so gut er es vermochte. Aber das könne er jetzt nicht mehr.

Die Maske müsse herunter.

Tragisch und alarmierend! Der Fall mag außergewöhnlich erscheinen, zumindest in seiner letzten, schockierenden Konsequenz. Jedoch ist eine Maske zu tragen nichts Ungewöhnliches, auch nicht unter Gläubigen. Tatsächlich scheinen gewisse kirchliche Kulturen ein derartiges Verhalten sogar noch zu begünstigen.

Man braucht jedoch nicht Pastor zu sein, um in diese Grube zu fallen. Jedem könnte das passieren.

Die Frage bleibt: Warum ist das so? Und warum ist es so häufig? Was können wir aus dieser Tragödie lernen?

Die Ursache scheint Angst zu sein. Die Angst zu versagen, dann entlarvt und abgelehnt zu werden. Die tiefer liegende Ursache mag eine Diskrepanz sein zwischen dem inneren und äußeren Leben eines Menschen, zwischen dem was man leisten möchte oder glaubt leisten zu müssen, zum Beispiel aufgrund einer Position, und dem wozu man tatsächlich imstande ist.

Um den Mangel zu vertuschen, greift man zur Maske, gibt vor, etwas zu können was man nicht kann, oder jemand zu sein, der man nicht ist.

Wir könnten es Heuchelei nennen. Jedoch gibt es da noch einen Aspekt.

Könnte eine weitere Ursache die Kluft sein, die durch die Erwartungen der Leute um diese Person herum geschaffen wurde? Die Person selbst mag völlig ehrlich sein und niemandem etwas vormachen wollen, jedoch wird ihm eine Rolle zugeschrieben, die er nicht spielen kann.

Man hat sich von diesem Menschen ein Bild gemacht und erwartet jetzt, dass er diesen Erwartungen entspricht.

Ein solches Bild könnte im Fall eines Pastors das Bild von einem starken, geistlichen Leiter sein, einem Apostel oder Propheten oder Wundertäter, die Erwartung so zu sein wie dieser oder jener Superpastor. Man erwartet sich schnelles Gemeindewachstum oder wunderbare Erlebnisse, die den Glauben bestätigen, ein Gefühl der Nähe Gottes vermitteln oder irgendwie anders geistliche oder auch gefühlsmäßige Höhepunkte schaffen.

Man erwartet vom Pastor, dass er etwas bietet, was man möglicherweise im eigenen Leben vermisst.

Ganz gleich, ob es sich um eine Projektion von Erwartungen oder um eine Art Kompensation für den eigenen Mangel handelt, so wird deutlich, dass eine Tragödie wie die oben beschriebene nicht nur auf das Verhalten eines einzigen Menschen zurückzuführen ist. Da kann auch das soziale Umfeld eine Rolle spielen, insbesondere wenn hochgespielte Erwartungen eine entscheidende Rolle spielen.

Die Verantwortung trifft beide Gruppen, sowohl diejenigen, welche diese Erwartungen ins Leben gerufen und geschührt haben als auch diejeningen, die sie unreflektiert aufgenommen und verstärkt haben.

Wie können wir unsere Masken loswerden?

Zunächst durch Einsicht. Wir brauchen keine geistlichen Superstars und Bühnenhelden zu sein. Wir brauchen keine außergewöhnlichen Erfolgsgeschichten vorweisen, mit denen wir uns selbst und anderen unsere Tüchtigkeit beweisen wollen.

Nicht das Außergewöhnliche, sondern das Alltägliche ist schließlich das, was unser Leben ausmacht.

Das sind die täglichen Routinen und Gewohnheiten, die tausend kleinen Freuden, die stille Zwiesprache mit unserem Vater im Himmel, die Gewissheit des Angenommenseins, die tägliche Dankbarkeit… die Gnade, aus der wir leben und die unsere Gemeinschaft trägt.

Da braucht keiner dem anderen etwas vorzumachen. Vielmehr können wir in Geduld und Liebe einander vergeben und uns selbst und andere annehmen und uns so vom Joch falscher Erwartungen und hochgezüchteten Leistungsdrucks befreien.

Auch vom geistlichem Leistungsdruck.

Die Maske abzunehmen ist dann keine Schande, sondern ein erster Schritt in die Freiheit eines authentischen Lebens.


Kommentare

Günter und Christine

Volltreffer!

Meines Erachtens kommt das daher, dass man als Mensch, immer noch, oder auch immer wieder in die Falle fällt, Gott in dem Menschen (Pastor und ähnliche Dienste) zu sehen. Was ja auch nicht ganz falsch ist, man muss es halt differenziert sehen. Der Druck, der dadurch auf diese Menschen fällt, ist unerträglich, da es ja auch vom Schöpfer so gar nicht vorgesehen wurde. Und somit hat derjenige einen untragbaren Zustand/Druck, das keiner lange aushält und es somit zu solchen Auswüchsen kommen kann. Das verhält sich wie in der säkularen Welt mit den Stars. Viele Stars werden ja auch erst vom Publikum zum Star gemacht und die können dann ja auch gar nicht mehr anders. Der Werbespot vom Bundestrainer Joachim Löw, bringt dies auch zum Ausdruck, der dort sagt, wenn Du etwas erreichst, schauen alle auf dich und je mehr du erreichst, je mehr erwarten die Menschen von DIR (anstatt von Gott). https://www.youtube.com/watch?v=B-pD_5P0FC4

Das ist eine große Herausforderung dem man als Mensch gar nicht gewachsen sein kann. Die Selbstmordrate bei den Stars, ist ja eigentlich auch unerklärlich, so aber eben doch verständlich. Und so auch in den Gemeinden. Das passierte zumindest auch mir immer wieder, weil man ja auch dem Menschen sehr dankbar ist, dass er einem Gott so nahegebraucht hat und dabei macht man dann den Mensch auch gleich selbst zu einem Gott, wenn auch unabsichtlich. (Das ist dir von uns ja auch passiert, Sorry! War ja nur gut gemeint, aber eben falsch) So ganz nebenbei passiert das auch den Frauen gegenüber den Männern und wahrscheinlich auch umgedreht, dass Sie das was Sie von Gott erwarten sollten, vom Ehemann erwarten. Viele Eheprobleme kommen wohl auch daher. Das fällt alles unter Götzendienst, den wir leider wohl doch noch immer betreiben. Da könnte man schon fast unendliche Beispiele aufzählen. Gut dass Du das mal so Publik gemacht hast, DANKE! Hoffentlich lernen wir daraus!!!

Liebe Segensgrüße / Günter & Christine


Heike

Egmont, das ist ein weites Feld, das du da ansprichst, mit vielfältigen Ursachen. Jeder von uns wünscht sich diese Freiheit, ganz und gar offanbar zu leben, denn dazu wurden wir geschaffen. Das wäre unsere “natürliche” von unserem Vater vorgesehene Lebensweise. Frei. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich in dieser Freiheit lebe, dass ich nie das Bedürfnis nach einer Maske, nach einem Schutz habe. Aber da bin ich noch nicht angekommen, wie so viele. Ich muss mich damit trösten, dass es mir besser gelingt als in der Vergangenheit.

Ich persönlich glaube, dass der Aspekt der Angst der schwerwiegendste Grund ist, warum wir es nicht immer wagen, mit unseren Schwächen offen vor anderen zu leben. Zu oft haben wir erlebt, dass Menschen uns nicht mit Barmherzigkeit begegnen. Es erschrickt mich ein wenig, wie viele Jahre es gedauert hat, bis ich in meinem Herzen ohne Beben glauben konnte, dass mein himmlischer Vater mir mit liebenden barmherzigen Blicken in die Augen schaut – trotzdem er die Tiefen meines Herzens kennt?! Er ist so anders als Menschen und die Erfahrungen, die wir mit diesen gemacht haben – so wunderbar anders! Wie viel schwerer ist es, auf die Barmherzigkeit der Menschen zu setzen. Oder aber sich frei zu machen von der Frage, was diese über uns denken. Letzteres hielt ich immer für erstrebenswert. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Natürlich bedeutet es mir etwas, was z.B. meine engsten Freunde über mich denken. Ihre Gedanken und Worte sind mir doch auch sonst kostbar und nicht egal!

Ich empfinde deine Worte als einen liebevollen Anstoß an uns alle, da anzusetzen, wo jeder von uns etwas ändern kann. Wie gehen wir mit den Schwächen anderer um, wie reagieren wir, vor allem was sagt unser Herz. Ist mein Herz bewegt in Betroffenheit und mit dem Wunsch, eine helfende Hand zu reichen, wenn ich sehe, wie jemand gefallen ist? Wohl wissend, dass mir dasselbe hätte passieren können. Mein innigster Wunsch an meinen himmlischen Vater ist es, dass er uns die Augen unseres Herzens öffnet, dass wir Menschen so sehen können, wie er sie sieht – in allen Lebenslagen. ER hat uns gemacht, damit wir FÜREINANDER da sind. In diesem Sinne vielen Dank für deine Worte

Heike